Als Linda durch den Monolithen trat, erwartete sie Leere. Doch stattdessen fand sie sich in einem Raum wieder, der keinem Ort auf der Erde ähnelte.
Er war endlos – eine weite Fläche aus grauem Nebel, durchzogen von Fragmenten. Schwebende Treppen, zerbrochene Türen, flackernde Bilder aus fremden Leben. Alles schwebte in einem Zustand zwischen Existenz und Erinnerung. Kein Boden, kein Himmel. Nur zwischen.
Linda spürte sofort: Sie war nicht allein.
Im Dunst bewegten sich Gestalten. Langsam. Rastlos. Manche standen einfach da – starrten ins Nichts. Andere flüsterten, wieder und wieder, die gleichen Sätze. „Ich hab’s fast geschafft.“ – „Das Licht hat mich gebrochen.“ – „Es war keine Prüfung, es war ein Tausch…“
Dann trat jemand näher.
Ein Mann, Anfang 30, aschfahles Gesicht, Augen wie ausgewaschen. Er trug eine Uniform, altmodisch. Sheriffstern.
„Du bist neu“, sagte er.
„Wer… bist du?“ fragte Linda.
„Name spielt keine Rolle. Ich war der erste in Chester’s Mill, der das Spiel betrat. Damals, 1973. Damals war’s noch eine andere Form – ein Sturm, ein Erdbeben, ein Flackern in der Realität. Ich wollte einen Jungen retten.“
Linda schluckte. „Und hast du?“
Der Mann lächelte traurig.
„Ich hab ihn rausgebracht. Ich blieb. Das ist der Preis.“
Weitere traten aus dem Nebel. Eine Frau in einem alten Nachthemd, blutige Füße. Ein Teenager mit einem gebrochenen Blick. Ein Pastor mit zitternden Händen.

„Wir waren alle Spieler“, sagte der Sheriff. „Keiner von uns hat gewonnen. Aber wir haben verstanden.“
Linda sah sich um. „Warum bin ich hier?“
„Weil du näher dran bist als alle anderen. Du hast sie berührt – das Wesen, das träumt. Du bist nicht nur eine Figur, Linda. Du bist ein Katalysator.“
Ein Riss ging durch die Welt.
Die anderen wichen zurück, ängstlich.
„Sie ruft dich“, sagte der Mann. „Aber denk daran: Wissen verlangt Opfer. Wenn du weitergehst, kannst du nicht alles zurückbringen.“
„Ich will das Kind retten.“
Der Sheriff nickte. „Dann geh weiter. Aber vergiss nie: Auch Wahrheit hat ein Gesicht. Und es lächelt nicht.“
Linda schloss die Augen. Atmete tief ein. Und trat durch den Riss.
Ähnliche Artikel
„Kuppel über Chester’s Mill“ – Teil 15: Opfer (Finale)
Das Wesen schwebte regungslos in der Mitte der Realität. Linda…
Echoes der Dunkelheit – Der Fall von Gray Pine
Teil 1: Die AnkunftSpecial Agents Elena Rivas und Daniel Hartley…