Drei Tage waren vergangen, seit Linda und Lily zurückgekehrt waren. Die Stadt hatte sich verändert, aber niemand sprach es laut aus. Menschen vergaßen Namen, standen minutenlang still auf der Straße. Elektronik fiel aus, dann wieder an – mit anderen Tönen, anderen Farben. Und in der Nacht sah man manchmal Lichter über dem Horizont, die keine Lichter sein konnten. Als würde etwas auf der anderen Seite der Kuppel kratzen.
Linda wusste: Die Kuppel war nicht mehr nur eine Barriere. Sie war ein Bewusstsein.
Lily sprach kaum. Wenn sie es tat, waren es keine Kindersätze mehr, sondern Fragmente: „Die Struktur ist organisch…“, „Sie spricht durch Frequenzen, nicht Worte…“, „Wir sind in einer Beobachtung, nicht in einem Käfig…“
Und dann, eines Morgens, sagte sie:
„Es ist Zeit, dass wir sie finden.“
Linda nickte nur. Sie wusste, wer gemeint war. Die, die träumt.
Das Wesen hinter der Kuppel. Nicht Feind. Nicht Freund. Etwas dazwischen.
Lily führte sie an Orte, die sich verändert hatten: Die alten Kreise waren zwar verschwunden, aber zurückgeblieben waren Spuren – Schwärzungen im Boden, die nur unter UV-Licht sichtbar wurden. Muster. Runenähnlich. Ein Wegweiser.
Sie folgten dem Muster bis zum alten Wasserturm am Waldrand – einem Ort, den niemand mehr beachtete. Im Inneren: eine Falltür, mit einem Symbol versehen, das Linda nur zu gut kannte.
Der Würfel.
Sie stiegen hinab.
Und fanden sich in einem Raum wieder, der nicht dort sein konnte. Ein Hohlraum unter der Stadt, durchzogen von pulsierenden Lichtadern. Die Wände bestanden aus schwarzem Gestein – oder etwas, das sich nur wie Gestein anfühlte. Organisch, weich, wachsam.
Im Zentrum stand ein Monolith. Drei Meter hoch. Spiegellos. Schwarz. Er schien Licht zu schlucken. Und aus ihm kam ein Laut – kein Ton, sondern eine Idee.
Lily ging auf ihn zu. Keine Angst. Nur Entschlossenheit.
„Sie hat mich gewählt“, sagte sie leise. „Aber jetzt will sie dich sehen, Linda.“
Linda trat näher. Und der Monolith begann, sich zu bewegen. Keine Tür, keine Öffnung – eher ein Einlassen.
Die Stimmen kehrten zurück. Und diesmal waren es Fragen.
„Was ist Erinnerung?“
„Was ist Schuld?“
„Was bist du bereit zu opfern, um zu verstehen?“
Linda antwortete nicht. Sie dachte nur: Alles.
Und dann – trat sie hindurch.

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