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In den alten Tunneln unter der Stadt, wo das Licht der Oberfläche nie hinreicht, regt sich etwas. Es flüstert durch rostige Rohre, lässt Wasser vibrieren und ruft jene, die bereit sind, zu hören.

Fünf junge Menschen – die Geschwister Jona und Kira, das Technikgenie Felix, die stille Lara und der draufgängerische Malik – hatten diese Geräusche erst für urbane Legenden gehalten. Doch dann verschwand ein Obdachloser, der oft in der Nähe eines vergitterten Kanaleinstiegs gesehen wurde. Und kurz darauf tauchte ein Video im Netz auf – verrauscht, aber unbestreitbar unheimlich: Eine Gestalt, halb Mensch, halb Schatten, bewegte sich in einem unterirdischen Gang.

Die Suche beginnt

Die fünf kannten sich seit ihrer Schulzeit, vereint durch ihre Neugier und den Hang zum Ungewöhnlichen. In einer mondlosen Nacht stiegen sie durch einen alten, vergessenen Zugang in das unterirdische Netz hinab. Die Luft war feucht und schwer, das Echo ihrer Schritte hallte wie ein fremdes Atmen durch die Gänge.

Felix, bewaffnet mit selbstgebautem Ortungsgerät und Stirnlampe, führte die Gruppe an. „Irgendetwas bewegt sich da vorn“, flüsterte er. Sein Gerät piepste unregelmäßig – als würde es nicht Metall oder Leben orten, sondern… Gedanken?

Stimmen aus der Dunkelheit

Tiefer drinnen schien die Kanalisation sich zu verändern. Die Gänge wurden schmaler, organischer. Die Wände pulsierten leicht, als würden sie atmen. Plötzlich vernahmen sie Stimmen – nicht laut, sondern als Flüstern im Kopf. Namen wurden gerufen. Ihre Namen.

„Das ist nicht möglich“, murmelte Lara, die sonst nie sprach, ohne sich sicher zu sein. Ihre Augen wirkten starr, als sähe sie etwas, das die anderen nicht erkannten.

Dann erschien es. Kein Schrei kündigte es an, kein Krachen oder Aufblitzen. Es war einfach da. Hochgewachsen, seine Haut wie schimmerndes Öl, Augen wie leere Spiegel. Und doch: Es war nicht feindlich. Es… suchte.

Die Wahrheit unter der Stadt

In einer Mischung aus Angst und Faszination folgte die Gruppe dem Wesen tiefer in die Dunkelheit. Es sprach nicht, und doch verstanden sie. Es war uralt, geboren aus all den Dingen, die die Stadt vergessen hatte: Schuld, Angst, verlorene Erinnerungen. Es lebte von diesen Fragmenten der Menschheit – nicht böswillig, sondern wie ein Archiv dessen, was wir verdrängen.

Jona verstand als Erster: Das Wesen ist ein Spiegel. Wer sich ihm stellt, sieht sich selbst – roh, entblößt und ohne Lügen.

Nur vier kamen zurück

Als sie schließlich an die Oberfläche zurückkehrten, war es beinahe Morgen. Ein fahles Licht fiel auf ihre bleichen Gesichter. Doch sie waren nur noch zu viert.

Lara war geblieben. Freiwillig. „Sie war nie ganz hier“, sagte Kira später leise. „Sie hat da unten etwas gefunden, das sie verstehen wollte.“

Die anderen sprachen nie mehr öffentlich über das Erlebte. Doch manchmal, wenn Regen über die Gullideckel trommelte und die Straßen menschenleer waren, sah man Jona oder Malik nachdenklich in die Schatten blicken. Und in ihren Augen spiegelte sich für einen kurzen Moment… etwas anderes.

Etwas, das nur jene sehen, die sich der Dunkelheit stellen.

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