0 Comments

Teilen:

Wochen vergingen. Elias und Noah halfen weiteren Kindern, sich dem Clown zu stellen – jedes Kind ein neues Fragment seiner Macht, jede besiegte Angst eine kleine Schwächung des Schattens. Doch etwas veränderte sich: Der Clown lachte nicht mehr. Er beobachtete. Er lauerte. Und dann verschwand er.

Die Träume wurden ruhig – zu ruhig.

Eines Nachts träumten Elias und Noah dasselbe. Eine alte Zirkusruine, halb versunken in schwarzem Nebel. In der Mitte: ein Spiegel, eingerahmt von verkohlten Holzlatten. Darauf stand in zerbrochenen Buchstaben:

„Hier begann es.“

Der Ursprung des Clowns.

Die beiden Kinder wussten, was sie tun mussten. In einem gemeinsamen Ritual verbanden sie ihre Träume mithilfe des alten Traumwächter-Buches. In jener Nacht traten sie durch den Spiegel – und fanden sich in einem Ort wieder, der älter war als jeder Albtraum.

Ein Kreis aus Spiegeln, jeder spiegelte eine Angst: Einsamkeit, Dunkelheit, Verlust, Versagen.

In der Mitte thronte der Clown. Doch seine Gestalt flackerte. Seine Farbe war verblasst. Sein Lächeln: gezwungen.

„Ihr wollt mich vernichten?“, flüsterte er. „Ich bin Teil von euch. Ich bin eure Angst.“

Elias trat nach vorn. „Nein. Du bist nur das, was wir aus Angst zulassen.“

Noah wusste, dass Worte allein nicht reichten. Der Clown war ein Relikt aus einem uralten Gedanken – genährt von Generationen kindlicher Furcht. Er konnte nicht einfach besiegt werden. Er musste vergessen werden.

„Ich weiß, was zu tun ist“, sagte Noah. „Ich werde bleiben. Ich werde ihn binden.“

Elias schüttelte den Kopf. „Das überlebst du nicht!“

„Doch“, sagte Noah ruhig. „Denn ich tue es nicht allein.“

Die beiden Kinder reichten sich die Hände. Aus ihrer Verbindung entstand Licht – hell, warm, wahrhaftig. Es breitete sich aus, durchbrach die Spiegel, löschte die Schatten. Der Clown schrie. Seine Maske zerbrach. Seine Gestalt löste sich auf. Und wo er stand, blieb nur noch … Stille.

Elias erwachte am nächsten Morgen. Schweißgebadet – aber ruhig. Das erste Mal ohne Albtraum. Ohne Dunkelheit.

Noah war verschwunden. Nicht vergessen – aber fort. Als hätte ihn die Welt nie gekannt. Doch Elias wusste: Er hatte sich geopfert. Und gleichzeitig überlebt – als Teil des Lichts, das nun wachte.

Der Spiegel war weg. Das Buch der Traumwächter leer. Die Seiten: weiß.

Der Zirkus Umbra kam nie wieder. Keine Kinder berichteten von Clowns. Keine roten Ballons mehr.

Epilog III: Wenn Kinder träumen

Viele Jahre später, als Elias längst erwachsen war, stand er in einer Grundschule und erzählte eine Geschichte. Von Mut. Von Albträumen. Und von der Macht, sich dem zu stellen, was man fürchtet.

Am Ende fragte ein Kind: „Gab es den Clown wirklich?“

Elias lächelte sanft.

„Nur solange wir ihm Raum geben.“

Er trat ans Fenster. Dort draußen tanzte ein einzelner Sonnenstrahl auf einem Spielplatz.
Keine Schatten. Kein Lachen.

Nur Licht.

Und der Albtraum war vorbei.

Teilen:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Ähnliche Artikel