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Elias war inzwischen sieben Jahre alt, aber seit jener Nacht vor fast einem Jahr war nichts mehr wie zuvor. Die Erinnerung an das grausame Gesicht des Clowns ließ ihn nicht los. Jede Nacht schreckte er aus dem Schlaf, jede noch so harmlose Kinderzeichnung mit einem Zirkuszelt ließ ihn in Panik geraten.

Seine Eltern brachten ihn zu Ärzten, zu Therapeuten – doch niemand konnte erklären, warum der Junge immer wieder sagte: „Er beobachtet mich.“

Und dann, eines Morgens im November, entdeckte Elias vor dem Fenster etwas Ungewöhnliches: einen kleinen, roten Luftballon, der regungslos im Wind schwebte. Direkt vor seinem Zimmer.

Am nächsten Tag war in der Stadt ein alter Zirkus aufgetaucht. „Zirkus Umbra – Lachen aus einer anderen Welt“, stand in verwitterten Lettern auf dem vergilbten Plakat, das an Laternenmasten klebte. Niemand wusste, wer ihn organisiert hatte. Doch viele Kinder waren neugierig.

Elias’ Mitschüler wollten hingehen. Er hingegen verspürte nur eines: Angst. Als er die Fratze auf dem Plakat sah, war ihm klar – es war dasselbe Gesicht. Derselbe Clown.

„Mama, Papa, wir dürfen da nicht hingehen!“, flehte er. Doch sie lachten nur und sagten, ein bisschen Spaß könne ihm nicht schaden.

Trotz aller Proteste saß Elias in der ersten Reihe, direkt vor der Manege. Die Show begann harmlos – Akrobaten, Jongleure, dressierte Hunde. Doch dann wurde das Licht schummrig, ein kalter Hauch zog durch das Zelt. Und er kam.

Der Clown.

Er trat durch einen Vorhang aus Rauch, langsam, mit bedächtigem Schritt. Niemand außer Elias schien sein verzerrtes Grinsen zu bemerken, seine verrotteten Hände, seine pechschwarzen Augen.

„Nur du kannst mich sehen, Elias“, hallte es plötzlich in seinem Kopf. „Denn du hast mich erwählt.“

In der Nacht wurde Elias erneut wach. Draußen war alles still. Doch auf seinem Schreibtisch lag ein alter, zusammengefalteter Zettel. Darauf stand:

„Willst du, dass ich verschwinde, musst du jemand anderen schicken.“

Elias verstand. Der Clown wollte eine Seele – eine neue Angst, ein neues Kind. Seine eigenen Träume reichten ihm nicht mehr. Und Elias stand vor der schwersten Entscheidung seines Lebens …

Am nächsten Morgen erschien Elias nicht in der Schule. Seine Eltern fanden ihn in seinem Zimmer, zusammengerollt unter dem Bett, die Augen weit aufgerissen. Neben ihm lag wieder ein roter Ballon. Und der Satz:

„Zu spät.“

Doch das war nicht das Ende.

In einer anderen Stadt, hunderte Kilometer entfernt, klebte plötzlich ein neues Zirkusplakat an einer Hauswand. „Zirkus Umbra – Bald auch in deiner Nähe.“

Und irgendwo in der Dunkelheit … lachte der Clown.

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