In einem unscheinbaren Bürogebäude mitten in der Stadt verschwindet immer wieder eine Person – spurlos, lautlos, als hätte sie nie existiert. Gemeinsam ist ihnen nur eins: Sie betraten denselben Aufzug. Was als banale Routine beginnt, endet im Albtraum. Niemand ahnt, dass sich hinter den geschlossenen Türen ein Abgrund auftut, der nicht von dieser Welt ist.
Das Verschwinden
Die ersten beiden Fälle wurden noch als Zufälle abgetan. Ein Praktikant, der am Freitagabend einfach nicht mehr nach Hause kam. Eine Buchhalterin, die Montagfrüh nie in ihrem Büro auftauchte. Die Polizei notierte die Namen, befragte Kollegen – doch die Überwachungskamera zeigte nur, wie sie in den Aufzug stiegen. Danach: nichts.
Kein Bild, kein Ton, kein Hinweis. Das Aufzugsprotokoll vermerkte keine Fehlfunktion. Und doch… war da diese eine Ungereimtheit: Der Aufzug hielt in keinem Stockwerk. Er fuhr einfach – minutenlang.
Mara, Mitte dreißig, alleinerziehend, neu in der Firma. Sie hörte das Flüstern in der Kaffeeküche, nahm die Warnungen der Kollegen nicht ernst. „Benutze lieber die Treppe“, sagte ihr Teamleiter mit auffallend ernster Miene. Mara lachte nur. Dreißig Stockwerke? Niemals.

An einem späten Mittwochabend – das Büro war längst leer – stieg sie in den Aufzug. Sie drückte den Knopf für das Erdgeschoss. Die Türen schlossen sich mit einem ungewöhnlich dumpfen Geräusch. Dann begann die Fahrt.
Doch der Aufzug hielt nicht.
Er fuhr vorbei am 29., am 15., am 4. Stock. Immer weiter – und tiefer. Die Anzeige begann zu flackern. Die 0 verwandelte sich in ein Symbol, das Mara noch nie gesehen hatte. Ein Kreis, durchzogen von dunklen Linien – wie ein Auge.

Die andere Seite
Das Licht erlosch. Mara stand in völliger Dunkelheit. Nur ihr hektisches Atmen war zu hören, begleitet von einem leisen Summen – als würde etwas außerhalb des Aufzugs auf sie warten. Dann, ein Flüstern. Kein klarer Satz, eher ein Gefühl, das sich direkt in ihren Kopf drückte:
„Du bist nicht die Erste… aber vielleicht die Letzte.“
Als die Türen sich öffneten, sah Mara nicht das Erdgeschoss. Sie sah einen endlosen Gang, aus dem Nebel strömte. Schatten bewegten sich, unmenschlich groß, ihre Formen fließend. Und irgendwo im Nebel – Gesichter. Verlorene. Starr blickend. Bewegungslos. Wartend.

Am nächsten Tag war Maras Schreibtisch leer. Niemand fragte. Niemand sprach ihren Namen aus. Der Aufzug funktionierte wie immer – mechanisch präzise, kühl, unauffällig.
Doch ein Hausmeister, der am Wochenende einen Blick auf das System warf, fand einen neuen Eintrag im Aufzugsprotokoll. Keine Etage. Kein Name. Nur das Symbol.
Seitdem wird gemunkelt, dass man ihn manchmal nachts hören kann, wenn das Gebäude leer ist – wie er fährt, rattert, summt… ohne Ziel, ohne Halt.
Und wenn du das nächste Mal allein in einen Aufzug steigst und er plötzlich zu lange braucht – dann frage dich:
Bist du auf dem Weg nach unten… oder woanders hin?
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