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Kapitel 1: Blut auf kaltem Pflaster

Ein kalter Nieselregen fiel auf die rissigen Steine des Hinterhofs in der Kölner Südstadt. Mülltonnen standen schief, ein streunender Kater huschte über den matschigen Boden, als die ersten Streifenwagen mit heulenden Sirenen eintrafen. Die Nachbarn standen auf den Balkonen, manche mit Decken um die Schultern, andere mit Handys in der Hand, bereit für den nächsten Klatsch. Doch niemand sprach laut. Nicht heute. Nicht nach dem, was sie gesehen hatten.

Kommissar Paul Bundschuh trat unter dem Absperrband hindurch. Er war ein kantiger Mann mit tiefen Falten im Gesicht und einer Zigarette, die meistens aus dem Mundwinkel hing, auch wenn das eigentlich verboten war. Neben ihm lief Kommissarin Alina Meier, eine jüngere, aber nicht weniger erfahrene Kollegin. Ihre blonden Haare hatte sie zu einem strengen Zopf gebunden, und ihr Blick war kühl, beinahe abwesend – doch Bundschuh kannte sie gut genug, um zu wissen, dass in ihr ein wacher Verstand arbeitete.

„Was haben wir?“, fragte Bundschuh den uniformierten Kollegen am Tatort.

„Weiblich, etwa Mitte dreißig. Mehrere Stichwunden. Kein Ausweis. Keine Zeugen, zumindest behauptet das jeder hier.“

Die Leiche lag zwischen den Tonnen, halb von einem alten Teppich bedeckt. Die Haut der Frau war blass, fast wächsern, die Augen weit aufgerissen. Alina kniete sich neben sie.

„Sieht aus, als hätte sie sich gewehrt“, murmelte sie. „Aber warum bringt man jemanden hier um und lässt sie einfach liegen?“

Bundschuh zog an seiner Zigarette. „Vielleicht war’s eine Warnung.“

Kapitel 2: Die Toten schweigen, aber die Wände reden

Die Spurensicherung fand nichts – keine Papiere, keine Handtasche, kein Handy. Aber eine Nachbarin, eine alte Frau mit Namen Frau Rückert, meinte, die Tote schon mal gesehen zu haben.

„Die war öfter bei den Leuten in Haus Nummer 17, die mit den langen Mänteln und den stillen Augen“, sagte sie mit zitternder Stimme. „Die sind nicht normal. Immer diese Gesänge nachts, und kein einziger Spiegel im ganzen Haus.“

Bundschuh und Meier tauschten einen Blick.

Haus Nummer 17 war ein unscheinbares, graues Gebäude, heruntergekommen, mit vergilbten Gardinen hinter den Fenstern. Doch im Innern war es seltsam aufgeräumt, fast steril. Als sie an der Tür klingelten, öffnete ein Mann mit kahlgeschorenem Kopf und ruhigem Lächeln. Er trug eine schwarze Robe und eine Kette mit einem alten Symbol, das keiner der Kommissare sofort zuordnen konnte.

„Wir stören ungern, aber wir ermitteln in einem Mordfall“, begann Meier.

Der Mann neigte den Kopf. „Der Tod ist nur eine Tür. Wir sind vorbereitet.“

Kapitel 3: Die Bruderschaft vom ewigen Licht

Was zunächst wie das Gerede eines Esoterikers klang, entpuppte sich bald als deutlich finsterer: Die „Bruderschaft vom ewigen Licht“ war eine abgeschottete Sekte, offiziell als Verein eingetragen, aber mit Verbindungen zu verschwundenen Personen in mehreren Bundesländern. Die Frau aus dem Hinterhof – so stellte sich heraus – hieß Anna Lewinsky. Sie war vor vier Monaten aus München nach Köln gezogen, offenbar auf der Flucht vor der Gruppe, der sie sich einst angeschlossen hatte.

„Sie wollte aussteigen“, sagte ein ehemaliges Mitglied, das sich nach langem Zögern zu einem Gespräch mit Meier bereit erklärte. „Aber niemand steigt einfach aus. Wenn du einmal das ‚Licht‘ gesehen hast, lassen sie dich nicht mehr gehen. Sie sagen, der Tod reinigt.“

Kapitel 4: Jäger werden zu Gejagten

Je tiefer die Kommissare in die Struktur der Sekte eindrangen, desto bedrohlicher wurde ihre Lage. Erst war es nur ein aufgeschlitzter Reifen. Dann eine durchwühlte Wohnung. Und schließlich lag ein toter Vogel auf Meiers Balkon – mit einer winzigen, eingeritzten Rune im Schnabel.

„Sie wissen, dass wir ihnen zu nahe kommen“, sagte Bundschuh. „Wir müssen vorsichtig sein.“

Doch Vorsicht half nichts, als Bundschuhs Tochter plötzlich nicht mehr zur Schule kam.

Kapitel 5: Die letzte Zeremonie

In einem alten Bunker am Stadtrand, einst ein Luftschutzraum, heute von Moos überwuchert und offiziell versiegelt, fand Meier schließlich den Ort, an dem die Sekte ihre „Licht-Taufen“ abhielt – und wo auch Anna Lewinsky zuletzt gesehen worden war. Zusammen mit einem Einsatzkommando stürmten sie den Ort – doch die Mitglieder waren fort. Nur ein einziger, zurückgelassener Text lag auf einem steinernen Altar:

„Wer dem Licht den Rücken kehrt, wird im Schatten vergehen. Wer den Jüngern folgt, wird ewig leben.“

Kapitel 6: Ein offenes Ende

Der Fall wurde offiziell als ungelöst zu den Akten gelegt. Die Bruderschaft verschwand – ihre Mitglieder wie vom Erdboden verschluckt. Doch Meier konnte nachts nicht mehr schlafen. Und Bundschuh rauchte mehr als je zuvor.

Denn sie wussten: Es war noch nicht vorbei.

Nur der erste Schritt in etwas viel Größeres.

Etwas, das tief in den Schatten Kölns lauerte.

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