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Linda erwachte mit einem Ruck – keuchend, schweißnass, die Schrotflinte noch an der Schulter, die Lampe zersplittert neben ihr. Um sie herum: Dunkelheit. Nicht mehr die albtraumhafte Welt von eben, aber auch nicht der bekannte Tunnel unter der Schule.

Der Boden unter ihr war kalt und glatt. Der Geruch von Metall hing in der Luft. Sie war zurück – irgendwie. Aber etwas hatte sich verändert.

Der Tunnel war nun verzweigt. Drei neue Gänge führten in verschiedene Richtungen. Jeder von ihnen markiert mit Symbolen, die sich vor ihren Augen bewegten, als würden sie atmen. Einer brannte rot. Einer war von Eis überzogen. Und der dritte – pulsierte schwach in einem fahlen Blau.

Linda spürte instinktiv: Nur einer führte zurück. Die anderen… testeten weiter.

Sie entschied sich für den blauen Gang. Jeder Schritt hallte. Die Luft wurde dichter. Hinter ihr flüsterten die Wände.

Dann – ein Geräusch. Fußschritte.
Aber nicht ihre eigenen. Jemand – oder etwas – folgte ihr.

Sie beschleunigte den Schritt, bog um eine Ecke – und fand sich plötzlich in einem perfekten Nachbau ihres Wohnzimmers wieder. Ihr alter Sessel, das zerkratzte Parkett, der Whiskey auf dem Tisch. Nur: Die Fenster zeigten keine Straße. Sondern den Tunnel.

Sie trat vorsichtig näher. Als sie das Glas berührte, wurde es flüssig – und eine Gestalt trat auf der anderen Seite hervor.

Sie selbst.

Aber nicht so, wie sie war. Diese Linda war leer in den Augen, ihre Bewegungen mechanisch, ihre Kleidung blutverschmiert. Sie sprach nicht. Sie bewegte sich nur – und ahmte jede von Lindas Bewegungen nach, aber eine halbe Sekunde zu spät.

Ein Test. Ein Spiegel. Eine Warnung?

Linda riss sich los, floh aus dem Raum. Der Gang dahinter war nicht mehr derselbe. Er stieg steil an, das Licht wurde stärker. Die Luft klarer. Hoffnung keimte in ihr auf – ein Fehler.

Denn am Ende des Ganges wartete es.

Ein Wesen, groß wie ein Mensch, aber ohne Gesicht. Sein Körper bestand aus schimmernden Schichten – als würde man durch einen lebenden Bildschirm blicken. Aus seiner Mitte ragte ein Würfel – eingewachsen in den Brustkorb. Es sprach nicht. Es streckte ihr langsam die Hand entgegen.

Linda spürte es sofort: Der Würfel war der Schlüssel. Ihr Würfel. Ihre Prüfung.

Sie trat näher. Ihre Hände zitterten. Und als sie ihn berührte –

blitzte die Welt um sie auf. Schmerz. Licht. Wind.

Und dann: Sie lag keuchend auf dem Boden der alten Schule. Ray kniete über ihr. Schreiend. Tränen in den Augen.

„Linda?! Scheiße, du warst weg! Zwei Tage! Du warst einfach weg!“

Linda starrte an die Decke. Das Licht aus dem Tunnel war verschwunden. Die Luft war still. Aber in ihrer Hand – fest umklammert – hielt sie etwas Kaltes:

Einen kleinen, blauen Würfel. Glatt. Lebendig.

Sie war zurück. Aber das Spiel… war nicht vorbei.

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