Elias sprach seit Tagen kein Wort mehr. Doch in seinem Inneren tobte ein Sturm. Jede Nacht hörte er das Flüstern des Clowns – immer näher, immer eindringlicher. Doch mit der Angst wuchs auch etwas anderes in ihm: Wut.
In der Dunkelheit seines Zimmers hörte er plötzlich eine andere Stimme. Leiser, klarer. Nicht bedrohlich – sondern beruhigend.
„Du bist nicht allein. Er ist alt. Seine Kraft kommt aus der Angst. Hör auf, dich zu fürchten … dann verliert er dich.“
Elias fuhr auf. Die Stimme war aus seinem alten Teddybären gekommen – einem Geschenk seiner verstorbenen Großmutter. Der Bär, den er seit jener ersten Nacht immer in der Nähe hielt.
Am nächsten Tag kramte Elias in einer verstaubten Kiste auf dem Dachboden. Dort fand er das, woran er sich nur vage erinnerte: einen alten Traumfänger mit bunten Bändern und kleinen Symbolen. Seine Großmutter hatte ihn einst gewarnt:
„Häng ihn über dein Bett, Elias. Er schützt nicht nur vor Träumen – sondern vor dem, was aus ihnen kommt.“
In dieser Nacht schlief Elias mit dem Traumfänger über sich ein. Und diesmal, als der Clown auftauchte, spürte Elias die Veränderung. Das Grinsen des Clowns wirkte gezwungen. Seine Bewegungen wurden langsamer.
„Was hast du getan?“, fauchte er.
„Ich habe aufgehört, Angst zu haben“, flüsterte Elias. „Ich weiß, was du bist.“

Im Traum trat Elias dem Clown entgegen. Um sie herum wirbelten alte Zirkuszeltreste, Schattenfiguren und vergangene Albträume. Doch Elias blieb ruhig.
„Du bist nicht echt. Du bist nur das, was wir fürchten wollen.“
Der Clown schrie, seine Gestalt flackerte. Der Traumfänger über Elias‘ Kopf begann zu leuchten. Fäden aus Licht schossen in den Raum, banden die Gestalt wie Spinnweben.
„Ich war ein Gedanke, ein Schrei im Dunkeln“, knurrte der Clown. „Aber Kinder wie du geben mir Gestalt.“
Elias trat näher. „Dann nehme ich sie dir.“
Er griff nach der Maske – und riss sie dem Clown vom Gesicht.
Darunter war … nichts. Nur Leere.
Der Clown löste sich in Rauch auf. Das Zelt zerfiel, die Schatten wichen zurück. Elias erwachte. Kein Flüstern mehr. Keine Ballons. Keine Angst.
Er blickte zum Fenster – und dort hing der Traumfänger, still, unberührt. Seine Eltern fanden ihn am Morgen lächelnd im Bett, zum ersten Mal seit Monaten.
„Hattest du einen schönen Traum?“ fragte seine Mutter.
Elias nickte. „Ja. Und ich hab ihn besiegt.“

Epilog: Der stille Wanderzirkus
Der Zirkus Umbra kehrte nie wieder zurück. Das Plakat an der Straßenecke verblasste, niemand erinnerte sich mehr an die Vorstellung. Nur Elias wusste, dass der Kampf nicht endgültig vorbei war.
Denn die Angst findet immer neue Gesichter.
Aber nun wusste er: Man kann ihr begegnen. Man kann sich wehren.
Man muss nur den Mut finden, hinter die Maske zu blicken.
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