Ein neues Geräusch
Zwei Wochen sind vergangen, seit Mara verschwunden ist. Doch dann beginnt der Aufzug sich anders zu verhalten. Die Mechanik wirkt langsamer, die Türen öffnen sich manchmal ruckartig. Und es gibt ein neues Geräusch: ein leises Kratzen, das aus dem Inneren der Kabine zu kommen scheint – wie Fingernägel auf Metall.
Der Techniker Markus, zuständig für die Wartung, wird gerufen. Doch als er mit seinem Werkzeugkoffer vor dem Aufzug steht, sieht er etwas, das ihn erstarren lässt: Auf dem Bedienfeld prangt ein neuer Knopf. Kein Symbol, keine Zahl. Nur ein abgenutzter, grauer Kreis. Er war vorher nicht da.

Die Entscheidung
Markus ist kein Mann, der an Geister glaubt. Aber irgendetwas an diesem Aufzug macht ihn nervös. Neugierig – und gegen jede Vernunft – drückt er den neuen Knopf. Die Türen schließen sich sofort. Kein Summen, kein vertrautes Brummen des Motors. Nur Stille.
Die Kabine beginnt sich zu bewegen. Doch nicht nach unten – sondern seitwärts. Als würde sie durch das Gebäude gleiten, aber außerhalb jeder bekannten Architektur. Die Temperatur sinkt. Der Aufzug scheint durch etwas Kaltes, Feuchtes zu fahren.
Dann hält er an.
Die Rückkehr
Die Türen öffnen sich – diesmal langsam, fast zögerlich. Dahinter liegt wieder der nebelverhangene Gang. Markus tritt hinaus. Schritte hallen dumpf auf dem Boden, der aus einer seltsam pulsierenden Substanz zu bestehen scheint. Er hört etwas – ein Flüstern. Und einen Namen:
„Markus… hilf mir…“
Es ist Mara.
Er folgt der Stimme, tiefer in das verzerrte Labyrinth hinein. Zwischen den Nebelschwaden sieht er Schemen, Umrisse von Menschen, die mit leerem Blick an ihm vorbeiziehen. Ihre Münder bewegen sich stumm, als wollten sie etwas sagen – doch kein Ton dringt heraus.
Dann entdeckt er sie: Mara. In der Ecke eines dunklen Raums, zusammengesunken, die Augen aufgerissen. Sie sieht ihn. Ihre Lippen formen nur zwei Worte:
„Geh… zurück.“
Doch es ist zu spät.
Zwischen den Welten
Hinter Markus schließt sich die Tür des Aufzugs. Das Licht geht aus. Die Schatten werden dichter. Eine Gestalt tritt aus dem Nebel. Groß, gesichtslos, ihre Bewegungen ruckartig, wie unter Wasser. Sie flüstert:
„Du hast geöffnet. Jetzt bleibst du.“
Markus spürt, wie ihn eine unsichtbare Kraft erfasst, seine Glieder lähmt, sein Geist zu reißen beginnt. Dann – greift Mara nach seiner Hand. Ihre Augen glühen kurz auf. Ein Riss erscheint in der Wand. Dahinter: der Aufzug.
Mit letzter Kraft wirft sie ihn hindurch. Dann verschwindet der Riss – mit ihr.
Ein Fluch erwacht
Markus kommt zurück. Der Aufzug hält wieder im Erdgeschoss. Für Außenstehende war er nur wenige Minuten verschwunden. Doch er redet nicht. Seitdem meidet er das Gebäude, meidet Spiegel, meidet Stille.
Doch eines Abends steht er vor dem Spiegel im Badezimmer.
Und sieht hinter sich das Symbol.
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